Sehr geehrter Herr Disberg,

sehr geehrte Herr Berends,

liebe Schülerinnen und Schüler der Montessori-Schule,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

beste Mensen,

 

für die Einladung zum heutigen „Herdenking Dwangarbeiders Apeldoorn“ danken wir Reeser Ihnen herzlich. Jahr für Jahr fühlen wir uns hier in Apeldoorn sehr willkommen und schätzen die Warmherzigkeit unserer niederländischen Gastgeber. Aber auch die Art und Weise, wie diese Veranstaltung zum Herdenking organisiert und durchgeführt wird, ist für uns immer wieder beeindruckend. Viele Kinder brachten und bringen sich mit Gedichten und Liedern in die Gedenkveranstaltung ein und sorgen dafür, dass das Herdenking in Apeldoorn trotz des traurigen Anlasses eine lebendige und freundschaftliche Veranstaltung ist.  Gemeinsam erinnern wir uns heute an die Razzia vom 2. Dezember 1944 und gedenken der niederländischen Opfer, die von hieraus deportiert wurden und auf dem Transport und später in den deutschen Zwangsarbeiterlagern schlimme Zeiten erleiden mussten.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

vor einigen Wochen hatte ich die Gelegenheit, Kriegsgräberstätten in den Niederlanden und in Belgien zu besuchen. Bei gutem Wetter und  guter Laune brachen wir Richtung Niederlande auf. Sie können sich sicher vorstellen, dass diese gute Stimmung mit der Besichtigung der Kriegsgräberstätten ganz schnell dahin war.

Wenn Sie vor diesen zahllosen Kreuzen stehen, die sich bis zum Horizont erstrecken, dann bekommen Sie eine ungefähre Vorstellung davon, welches unendliche Grauen in den Weltkriegen geschehen ist. Auf der Kriegsgräberstätte im niederländischen Ysselstein sind alleine über 30.000 Opfer aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg beerdigt worden. Es handelt sich um Soldaten und zivile Opfer, die auf niederländischem Boden zu Tode gekommen sind. Auch ich habe in den letzten Jahren hier in Apeldoorn oft Zahlen von Opfern genannt, um damit zum Ausdruck zu bringen, wie schrecklich und furchtbar die Ereignisse 1944 und 1945 waren. Sie alle wissen, dass 11.000 Menschen hier auf dem Marktplatz zusammengetrieben wurden, 4.500 Männer wurden von deutschen Nationalsozialisten deportiert und 850 wurden in Zwangsarbeiterlager in Rees und Umgebung gebracht.

Die Zahlen sind schrecklich und unvorstellbar. Seit meiner Reise zu den Kriegsgräberstätten in Belgien und den Niederlanden verstehe ich aber besser, dass es dabei um viel mehr geht, als nur um Zahlen.

Wenn man auf den riesigen Kriegsgräberstätten die Namen und die Geburts- und Sterbedaten der Menschen liest, dann bekommt man mit einem Mal ein viel besseres Gespür dafür, dass sich hinter den großen Zahlen Menschen wie Sie und ich befinden. Menschen, die Väter, Großväter und Urgroßväter von uns hätten gewesen sein können und Menschen die ihrerseits Kinder und Enkelkinder hatten oder hätten haben können.

 

Der deutsche Dichter Heinrich Heine hat einmal gesagt: „Unter jedem Grabstein liegt eine Weltgeschichte.“ (Zitat Ende) Das stimmt für die Menschen, die das Glück hatten, nach einem erfüllten Leben, alt, quasi vom Leben müde, zu sterben. Diese Menschen hatten eine Lebensgeschichte, oder wie Heinrich Heine sagt, eine Weltgeschichte.

 

Die Menschen 1944 in Apeldoorn wurden mitten aus dem Leben gerissen. Sie waren nicht müde vom Leben, sondern hatten ihr Leben noch vor sich. Unter jedem Grabstein der zu Tode gekommenen Zwangsarbeiter – wenn sie denn überhaupt einen Grabstein haben – eine ganze Weltgeschichte? Nein! Wohl eher Träume, Wünsche und Ziele, wie wir sie alle haben, die aber nicht erfüllt wurden.

Die Toten und die an Körper und Seele verwundeten Menschen  aus der Zeit des 1. und 2. Weltkrieges mahnen uns. Sie mahnen jeden einzelnen von uns, dafür einzutreten, dass so etwas nie wieder geschieht. Wenn das Leiden und Sterben der Menschen damals überhaupt einen Sinn haben kann, dann den, dass wir alles dafür tun müssen, uns für den Frieden einzusetzen und dafür zu sorgen, dass sich solche Ereignisse nie mehr wiederholen werden.

Dafür verantwortlich sind aber nicht alleine die da oben in den Regierungen. Dafür verantwortlich, dass wir über 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Westeuropa weitestgehend in Frieden leben können, sind vor allem auch wir. Auch wir tragen Verantwortung. Auch wir dürfen nicht schweigen, sondern müssen unsere Stimme erheben und helfen, wenn Ungerechtigkeiten passieren, wenn anderen Menschen Leid angetan wird, wenn Menschen in Not sind. Es reicht nicht, anständig zu sein, wir müssen uns engagieren, müssen uns zeigen, müssen für unsere Überzeugungen mutig eintreten.

Es ist daher schön und wichtig, dass Sie alle heute hier sind und mit Ihrer Teilnahme an dieser Gedenkfeier zeigen, dass Sie dafür eintreten, dass wir auch in Zukunft friedlich, respektvoll und anständig miteinander umgehen.

Lassen Sie uns alle gemeinsam dafür sorgen, dass die Welt ein klein wenig friedlicher wird und dass sich so etwas wie vor 74 Jahren hier im Grenzgebiet zwischen Apeldoorn und Rees niemals wiederholt.

 

Vielen Dank.