Grußwort von Bürgermeister Christoph Gerwers anlässlich der Gedenkveranstaltung
„Herdenking Dwangarbeiders Kamp Rees“ am 02.12.2016 in Apeldoorn
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Kollege Cziesso,
sehr geehrter Herr Disberg, liebe Herren de Louter, van Essen und Geritsen,
liebe Schülerinnen und Schüler der Montessori-Schule,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
beste Mensen,
für die Einladung zur heutigen Gedenkveranstaltung hier in Apeldoorn danke ich Ihnen ganz herzlich. Ich freue mich, dass ich heute wieder Ihr Gast sein darf, um gemeinsam mit Ihnen der Razzia vom 2. Dezember 1944 und auch der schlimmen Ereignisse auf dem Transport und der Leiden der Menschen in den Zwangsarbeiterlagern zu gedenken. Hier auf dem Marktplatz in Apeldoorn wurden 11.000 Menschen versammelt, 4.500 Männer wurden von den Nationalsozialisten deportiert, 850 davon wurden in die Zwangsarbeiterlager in Rees und Umgebung gebracht.
Schon alleine, weil diese schrecklichen Ereignisse nun bereits 72 Jahre her sind, wird es immer schwieriger, diese Erinnerungen zu bewahren. Unsere Vorstellungen und Bilder vom Krieg leiten wir aus Berichten, Bildern, Fernsehreportagen oder auch aus Ausarbeitungen wie der Arbeit meines Nachbarn und Freundes Benedikt Rösen ab. Gemeinsam mit drei Mitschülern des Gymnasiums Aspel in Rees arbeitete er bereits im Jahr 1983 die „Lage gegen Kriegsende im Raume Rees“ auf und gab im Rahmen seiner Arbeit auch eindrucksvoll die Berichte von niederländischen Zeitzeugen, die die Grausamkeiten im Kamp Rees erleben mussten, wieder.
Die Zwangsarbeiter mussten körperlich sehr anstrengende Arbeiten verrichten, zum Teil ohne dabei etwas Anständiges zum Essen zu bekommen. In nass-kalten Schlafstätten, die von Läusen befallen waren, wurden die Zwangsarbeiter eingepfercht. Es mangelte an Kleidung und in der Nacht mussten die Zwangsarbeiter auf Stroh schlafen. Dabei konnten sie sich glücklich schätzen, wenn ihnen Decken bereitgestellt wurden. Es kam aber auch vor, dass die sie die Nacht auf dem nackten Fußboden verbringen mussten. Durchlöcherte Dächer verursachten, dass sie im Winter unter einer Schneedecke von einigen Zentimetern aufwachten.
Misshandlungen durch Stock- und Knüppelschläge an allen Körperstellen sowie keine oder, wenn überhaupt, nur eine notdürftige medizinische Versorgung, waren an der Tagesordnung. Die niederländischen Zwangsarbeiter berichten in der Ausarbeitung meines Nachbarn auch, dass sterbenskranke Menschen mit Lungenentzündungen und erfrorenen Füßen gezwungen wurden, weiter ihrer Arbeit nachzugehen. An den Folgen dieser menschenverachtenden Bedingungen sind viele niederländische Zwangsarbeiter gestorben oder haben noch Jahre später seelisch und körperlich unter der Zeit im Kamp Rees gelitten.
Derartige Berichterstattungen lösen bei uns allen auch über 70 Jahre später Entsetzen, Fassungslosigkeit und Bestürzung aus, auch wenn wir ganz sicher keine persönliche Schuld am Unrecht dieser Zeit hatten.
Aber wir alle tragen eine große Verantwortung dafür, dass solch furchtbare Ereignisse wie in der Zeit des nationalsozialistischen Terroregimes nicht wieder passieren.
In Deutschland wurden Menschen wegen ihrer Herkunft, wegen ihrer Religion, wegen ihrer Meinung, wegen ihrer körperlichen Beeinträchtigungen verfolgt, eingesperrt, gefoltert, gequält, getötet. Und das alles in vollkommener, perfekter und tödlicher Willkür. Wir, die jüngere Generation, sollten daher froh und dankbar sein, dass wir diese Erfahrungen nicht machen mussten. Und doch sind wir dafür verantwortlich, dass sich dieser dunkle Teil der Weltgeschichte nicht wiederholt und wir stattdessen mitmenschlich, friedfertig und respektvoll mit unseren Mitmenschen umgehen.
Verantwortung ist nicht etwas, dass die da oben in der Regierung und in den Parlamenten zu regeln haben, sondern Verantwortung trifft jeden Einzelnen von uns, hier und jetzt. Das fängt schon im Kleinen an, in der Familie, in der Nachbarschaft, im Freundeskreis, im Verein und auch in der ganzen Stadt.
Jeder Einzelne ist gefordert, dazu beizutragen, dass wir uns wohl fühlen, dass wir keine Angst haben müssen, dass wir friedlich miteinander leben können. Aber drücken wir uns nicht auch gelegentlich vor dieser Verantwortung? Zum Beispiel in unserer Haltung den Menschen gegenüber, die zu uns nach Deutschland oder in die Niederlande flüchten? Gerne lassen wir auch in privaten Gesprächen zu – man möchte ja keinen Ärger haben -, dass fremdenfeindliche, diskriminierende oder gar rassistische Äußerungen toleriert werden, obwohl jeder Einzelne von uns in diesem Moment gefordert wäre, seine Stimme dagegen zu erheben.
Der schreckliche Umgang mit unseren Nachbarn aus den Niederlanden mahnt uns, in Zeiten, in denen manches aus den Fugen zu geraten scheint, lauter denn je, Menschen, die alles verloren haben – Heimat, Haus und Hof, Hab und Gut – Menschlichkeit zu gewähren, sie respektvoll zu behandeln und ihnen einfach nur zu helfen.
Wenn wir uns alle gemeinsam engagieren, wenn wir alle gemeinsam Verantwortung tragen, dann wird es auch für den Einzelnen leichter, Verantwortung zu übernehmen und sich einzubringen.
Dann bleiben auch das gute Miteinander in unseren Städten und Dörfern, sowie der inzwischen gute und freundschaftliche Austausch zwischen Niederländern und Deutschen, bestehen.
Wenn wir uns in diesem Sinne an die lange zurückliegenden Ereignisse erinnern, sie nicht vergessen, dann kann es uns gelingen, den Frieden in unseren Familien und Nachbarschaften, im Dorf und in den Städten, in den Niederlanden und in Deutschland, in Europa und in der ganzen Welt, jeder für sich und gemeinsam mit den anderen, zu bewahren. Und dann haben Gedenkveranstaltungen wie diese heute nach wie vor einen wirklichen und guten Sinn.
Vielen Dank.
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